Vom Bildrecht zur richtigen Rechteangabe – eine kleine Beitragsserie
Die Deutsche Digitale Bibliothek sammelt digitale Abbildungen von Objekten des Kulturerbes und macht sie zusammen mit den sie beschreibenden Metadaten in ihren Portalen zugänglich. Dort haben sie eine große Reichweite und werden mithilfe von Suchmaschinen leicht gefunden, wenn dort Begriffe aus den Metadaten gesucht werden (z.B. Stichworte, die im Titel auftauchen, Objekttyp).
Die Anzeige von urheberrechtlich geschützten Bildern im Internet ist eine rechtlich relevante Verwertung, die nur durch Urheber*in oder mit dessen Zustimmung erfolgen darf. Die DDB darf also solche Bilder nur anzeigen, wenn Urheber*in oder eine andere Person das mit dessen Billigung erlaubt. Das ist natürlich nicht erforderlich, wenn die Abbildung gar nicht urheberrechtlich geschützt ist. So ist es beim Großteil der in der DDB verfügbar gemachten Bilder. Es ist außerordentlich wichtig, dass die Kultur- und Wissenseinrichtungen vor der Lieferung von Daten klären, ob (kein) Urheberrechtsschutz besteht.
Unabhängig vom Urheberrechtsschutz kann es sein, dass Fotos oder Abbildungen wegen darin identifizierbaren Personen nicht ohne deren Zustimmung ins Netz gestellt werden dürfen. Das betrifft im Wesentlichen aber nur noch lebende Personen.
Ob oder wie ein in der DDB angezeigtes digitales Objekt rechtlich geschützt ist und wie es genutzt werden darf, wir in den Rechteangaben (Rechtehinweisen und Lizenzen) jeweils beim digitalen Objekt angezeigt.
Die Illustrationen stammen fast alle aus der DDB. Wer genau aufpasst, kann erkennen, dass die Rechtehinweise bzw. Lizenzen teilweise nicht ganz zum wirklichen Rechtsstatus des jeweiligen Bildes passen. Das liegt daran, dass nicht alle unsere Datenpartner, die für die Rechteauszeichnung der Objekte verantwortlich sind, immer alles richtig gemacht haben. Wir arbeiten zusammen an der Verbesserung der Rechteauszeichnungen.
In den Abschnitten der Beitrags-Serie, die wir in den nächsten Monaten sukzessive veröffentlichen, behandeln wir die Themen „Urheberrecht an digitalen Abbildungen“, „Sonstige Rechteinhaber“, „Lizenzen und gesetzliche Erlaubnisse“, „Sonstige Restriktionen der Bildernutzung“, „Rechteeinräumung im DDB-Kooperationsvertrag“, „Rechtehinweise und Lizenzen“ und „Besondere Nutzung der Bilder“ (z. B. Social Media, Flyer, Vorträge).
Das Urheberrecht an digitalen Abbildungen
Mit seinem Urheberrecht an einem Werk kann ein*e Schöpfer*in anderen verbieten, sein/ihr Werk zu nutzen. Das führt umgekehrt dazu, dass andere, die das Werk nutzen wollen, prinzipiell nachfragen müssen, wenn sie nicht Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüchen des/der Urheber*in ausgesetzt sein wollen. Die Mauer um urheberrechtlich geschützte Werke hat aber durchaus Lücken für Nutzer*innen.
Wann bestehen an den digitalen Abbildungen urheberrechtliche Verwertungsrechte?
Urheberrechtsschutz für „Werke“ gibt es nach § 2 Abs.2 UrhG nur für „persönliche geistige Schöpfungen“. Darunter können nur vom Menschen gemachte Gegenstände fallen. Von Tieren geschaffene Produkte (z.B. Affen-Selfie oder Malerei von Papageien) gehören nicht dazu. Ebenso wenig fallen darunter Bilder oder Geschichten, die von Künstlicher Intelligenz (KI) geschaffen wurden, wenn ein Mensch nichts weiter getan hat, als eine grobe Beschreibung des gewünschten Outputs einzugeben. Dann hat niemand ein Urheberrecht am in der Regel wenig steuerbaren Produkt, auch nicht der Mensch, der das Anfrageformular der KI-Anwendung ausfüllt.
Das Produkt muss, um nach § 2 Abs.2 UrhG unter den Urheberrechtsschutz zu fallen, individuell genug für eine „persönliche“ geistige Schöpfung sein. Ergebnisse, die nur fremde Vorgaben möglichst exakt umsetzen, erreichen in der Regel nicht den hinreichenden Grad an Individualität für eine „persönliche geistige Schöpfung“. Daher sind Metadaten, Formeln oder auch Verwaltungsakte, die sich nur nach strengen fachlichen Vorgaben oder Methoden erstellt wurden, nicht urheberrechtlich geschützt. Dagegen zeichnet sich Bildende Kunst gerade dadurch aus, dass sie frei von Vorgaben ist.
Fotos können nach § 2 UrhG geschützte persönliche geistige Schöpfungen sein (s. Regelbeispiel nach § 1 Ziff.5 UrhG, „Lichtbildwerk“). Der für den Schutz erforderliche Gestaltungsspielraum kann sich dabei, insbesondere bei dreidimensionalen Fotoobjekten, aus der Auswahl des Foto-Standpunktes, der Perspektive, der Beleuchtung und der Auswahl von Details ergeben.
Der Spielraum ist bei Aufnahmen von flachen Vorlagen geringer. Insbesondere wenn es um möglichst originalgetreue, nach fachlichen Vorgaben erstellte Aufnahmen geht, besteht dort im Vergleich zu Aufnahmen von dreidimensionalen Objekten (z.B. Skulpturen, Bauwerken), Personen oder Landschaften relativ wenig Gestaltungsfreiheit, sodass sie regelmäßig nur als „Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden“ nach § 72 UrhG geschützt werden.
Auf den ersten Blick ist der Unterschied zwischen § 2 und § 72 UrhG nicht groß: Sowohl der Schutz als „Werk“ nach § 2 als auch der Schutz als Leistung nach § 72 UrhG hat ein Exklusivrecht zur Folge, d.h. Rechteinhaber können anderen verbieten, den Gegenstand im Urheberrechts-Sinne zu „verwerten“ (d.h. zu kopieren, weiterzugeben, öffentlich wiederzugeben oder „öffentlich zugänglich zu machen“ also ins Netz zu stellen). In beiden Fällen heißt das: Man braucht für die Anzeige in der DDB die Zustimmung (Lizenz) des Rechteinhabers.
Bei 3D-Scans wird man von einem Werkschutz nach § 2 UrhG ausgehen müssen.
Im Urheberrecht spielt der Tod eine große Rolle
Der Werkschutz nach § 2 UrhG endet regelmäßig erst 70 Jahre nach dem Tod der Urheber und nur bei anonymen oder pseudonymen Werken schon 50 Jahre nach deren Herstellung oder Veröffentlichung.
Der Schutz einfacher Lichtbilder nach § 72 UrhG dagegen endet immer schon 50 Jahre nach Herstellung bzw. Veröffentlichung, was für die Nutzung eine wesentliche Erleichterung oder Verkürzung darstellt, zumal die Todesdaten der Schöpfer oft nicht oder nur schwer herauszufinden sind.
Das Ende der Schutzfrist ist für Leute, die ein Werk nutzen wollen, ein Grund zum Feiern!
Reproduktionsfotos von alten Werken: Frei nachnutzbar!
Außerdem – und das ist hier sehr wesentlich – besteht für Reproduktionsfotos von gemeinfreien Gegenständen gar kein Lichtbildschutz nach § 72 UrhG.
Das ergibt sich aus § 68 UrhG, der am 7. Juni 2021 mit der Umsetzung der (EU-) Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt eingeführt wurde. Danach werden „Vervielfältigungen gemeinfreier visueller Werke“ u.a. nicht nach § 72 UrhG geschützt.
Das bedeutet zunächst für Fotos, die prinzipiell nur als Lichtbild nach § 72 (aber nicht als „Lichtbildwerk“ nach § 2) geschützt wären, dass sie gar keinen Schutz genießen, wenn das fotografierte Objekt gemeinfrei ist und das Foto eine originalgetreue Reproduktion dieses Objektes ist. Das dürfte regelmäßig etwa auf Fotos von gemeinfreien Gemälden (weitgehend flache Vorlagen, s.o.) zutreffen. Die Fesseln des Urheberrechts sind also hier endlich abgeworfen!
Bei Fotos weniger flachen Vorlagen, die also aus mehreren Perspektiven fotografiert werden können, wird man dagegen teilweise davon ausgehen können, dass es sich wegen des größeren Gestaltungsspielraums für den Fotografen um „persönliche geistige Schöpfungen“ nach § 2 UrhG handelt. Ein Urheberrechtsschutz besteht hier dann selbstständig für das Foto, unabhängig davon, ob die Vorlage gemeinfrei ist.
Bei halb-flachen Objekten wie etwa Münzen oder Gemälden mit stark plastischer Struktur kann man wohl keine ganz generelle Aussage darüber treffen, ob Abbildungen davon unter § 2 oder § 72 fallen. Es kommt hier ganz darauf an, inwieweit ein Gestaltungsspielraum besteht und ob dieser ggf. auch genutzt wurde. Die Fotografie von Münzen ist wegen der Lichtreflexionen des Metalls eine besondere Herausforderung bei der Belichtung und Inszenierung. Allerdings gibt es gerade deshalb auch besondere Vorgaben, die möglicherweise dann doch wieder wenig Spielraum für Individualität lassen.
§ 68 UrhG wirkt zurück. Er gilt daher auch für Reproduktionsfotos, die vor dem Inkrafttreten dieser Norm erzeugt wurden. Er gilt außerdem auch dann, wenn das fotografierte „visuelle Werk“ erst nach Inkrafttreten gemeinfrei wird oder geworden ist.
Die zwei Schichten des Schutzes …?
Bei Fotos oder Scans von Kulturerbe-Objekten ist immer zu berücksichtigen, dass ein Urheberrechtsschutz dafür schon dann besteht, wenn nur einer der beiden „Schichten“ (Fotografiertes Objekt/ Foto) dem Urheberrecht nach § 2 bzw. Leistungsschutz nach § 72 unterliegt:
- das Foto einer gemeinfreien Skulptur (also dreidimensional) kann insgesamt (zu Gunsten der Fotografin) urheberrechtlich geschützt sein, weil das Foto selbst eine „persönliche geistige Schöpfung“ sein kann.
- der Scan eines Buches von 1970 ist insgesamt (zu Gunsten der Autorin) urheberrechtlich geschützt, obwohl beim Scanprozess selbst überhaupt keine Urheber- oder Leistungsschutzrechte entstehen.
Wer ist Urheber?
Die Frage, wer Urheber*in ist, ist aus verschiedenen Gründen wichtig:
Die urheberrechtlichen Gründe - soweit ein Bild (noch) geschützt ist:
- wenn Urheber*in die Verwertungsrechte nicht durch andere wahrnehmen lässt, ist er*sie die Person, dessen/deren Erlaubnis (Lizenz) für die Nutzung gebraucht wird (dazu s.u.).
- Urheber*innen müssen genannt werden, wenn sie nicht selbst auf die Nennung verzichtet haben (Anerkennung der Urheberschaft, § 13 UrhG).
Außerdem wollen oder müssen Nutzer*innen wissen, wer ein Werk erschaffen hat, weil sie diese Information für Quellenangaben brauchen. Im Rahmen der Guten Wissenschaftlichen Praxis ist das zwingend notwendig, auch unabhängig vom Urheberrechtsschutz.
Urheber ist regelmäßig der „Schöpfer“ des Werkes, § 7 UrhG, also die Person, die die für den Urheberrechtsschutz Wesentliche schöpferische Leistung erbracht hat. (z.B. der Maler, die Bildhauerin, der Architekt, die Fotografin).
In den Fällen, in denen es zwei Schutz-Schichten gibt (also etwa an einem Foto einer Skulptur), müssen also etwa die Bildhauerin und der Fotograf genannt werden, und zwar mit differenzierter Angabe ihrer Anteile: Für den Fotografen ist dann also etwa „Foto: Marc Müller“ anzugeben, soweit er nicht auf die Anerkennung verzichtet hat.
Die Beantwortung der Frage nach dem Urheber wird durch die Urhebervermutung nach § 10 UrhG erleichtert: Wer auf dem Werkstück in der „… üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist, wird bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werkes angesehen“.
Für die DDB bedeutet das: Die Schöpfer*innen werden auf der Bildbühne angegeben. Dazu gehört also auch der Name des/der Fotograf*in der Skulptur, wenn die Person nicht darauf verzichtet hat (z.B. im Vertrag). Die Nennung der Namen von Fotograf*innen flacher Gegenstände (z.B. Gemälde) ist urheberrechtlich nicht geboten, weil sie eben keine „Urheber*innen“ sind (es handelt sich ja bei den Fotos flacher Vorlagen nicht um „Werke“ im Sinne des § 2 UrhG).
Erlaubnis erforderlich
Wenn es (noch) Rechte an einem digitalen Objekt gibt, braucht die datenliefernde Einrichtung für die Anzeige des Werkes auf ihrer eigenen Webseite die Zustimmung des Urhebers bzw. sonstigen (exklusiven) Rechteinhabers. Die Einräumung eines einfachen (also nicht exklusiven) Nutzungsrechtes, § 31 Abs.2 UrhG, reicht dafür aus.
Es gibt zwar keine Urheberrechts-Polizei, aber Urheberrechtsverletzungen können durchaus zu Unterlassungs- oder Schadensersatzforderungen führen.
Wenn die datenliefernde Einrichtung die Zustimmung des Urhebers bzw. Rechteinhabers für die Anzeige auf der eigenen Webseite hat, heißt das noch nicht, dass die datenliefernde Einrichtung das Nutzungsrecht weiter an Dritte (z.B. die DDB) einräumen darf. Dazu braucht sie nämlich noch die Erlaubnis zur Unterlizenzierung bzw. die Erteilung einer Vollmacht zur Lizenzierung an die DDB. Die datenliefernden Einrichtungen müssen also darauf achten, dass sie im Vertrag mit Urhebern sich diese Erlaubnis einräumen lassen.
Wenn eine Künstlerin einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Bild Kunst hat, hat die VG übrigens dieses Recht zur Unterlizenzierung an Dritte, soweit es Werke der Bildenden Kunst betrifft. Deshalb kann die VG der datenliefernden Einrichtung und auch der DDB das Recht zur „öffentlichen Zugänglichmachung“ im Internet einräumen. Weil der Wahrnehmungsvertrag eine exklusive Rechteeinräumung an die VG vorsieht, muss sie um Erlaubnis gebeten werden. Sie muss diese Erlaubnis dann zu angemessenen Bedingungen erteilen (Abschlusszwang, § 34 Verwertungsgesellschaften-Gesetz, VGG).